Hat man dann seinen Favoriten gefunden, clickt man auf "Blogg ich" und bewirbt sich damit auf sein Wunschbuch. Jetzt heißt es: warten. Wenn der eigene Blog dem jeweiligen Verlag gefällt, zählt man vielleicht zu den Glücklichen, die kostenlos eines der begehrten Rezensionsexemplare erhalten. Vom Erhalt des Buches an hat man 30 Tage Zeit, das Buch zu lesen und eine Rezension dazu zu schreiben.
Ich stöbere gerne und viel in Büchern, aber als berufstätige Mama, die nicht mit der Bahn sondern mit dem Auto zur Arbeit fährt, komme ich leider nicht mehr so häufig dazu, denn Lesen am Steuer kommt bei der örtlichen Polizei nicht so gut an ^^ Das ist mein einziger Kritikpunkt an der ganzen Sache: 30 Tage sind ein bisschen knapp. Ich habe es geschafft, denn das Buch hat haargenau meinen Geschmack getroffen, aber dazu später mehr. Ansich ist "Blogg dein Buch" eine tolle Initiative, die ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann!
Nun zu meinem Buch:
In der langen Liste der Neuerscheinungen sprang mich zwischen Cowboy-Liebesromanen und Sachbüchern zum Thema "Nahtoderfahrungen" plötzlich ein Titel an: "Queenig & spleenig?! Wie die Engländer ticken" von Nina Puri. Nach Lesen der Kurzbeschreibung war für mich klar: das muss ich haben. Wäre ich nicht unter den ausgewählten Rezensenten gewesen, ich hätte es mir trotzdem bestellt. Glücklicherweise bekam ich ein paar Tage nach der Bewerbung die Nachricht, dass sich der Langenscheidt-Verlag für meinen Blog entschieden hat und sich das Buch in den nächsten Tagen auf den Weg zu mir machen würde...
Nina Puri, 47, gebürtige Engländerin, war mir in ihrem 2007 veröffentlichten, witzigen Buch "Elternkrankheiten" schon vorher begegnet, ohne dass ich mir ihren Namen gemerkt hätte. Das wird sich spätestens jetzt ändern, denn wer so schreiben kann, den muss man sich einfach merken!
In "Queenig & Spleenig?!" geht es um mehr als nur das Klischee, dass es in England immer und überall regnet (natürlich tut es das und wer nicht mit einer der aufgelisteten 27 Regenarten einen Small-Talk über das bescheidene Wetter anfängt, sondern stattdessen den eigenen Namen nennt und die Hand zur Begrüßung ausstreckt, wird sofort als entweder sehr unhöflich oder dummer Deutscher abgestempelt ^^). In kurzen Kapiteln werden Themen wie Geographie, Sprache, Humor, Höflichkeit, Liebesleben, Schulsystem, Pubkultur, etc. scharfzüngig betrachtet und genau analysiert. Frau Puri nimmt kein Blatt vor den Mund, im Gegenteil! Sie, als gebürtige, aber in Deutschland lebende, Engländerin, darf die Eigen- und Besonderheiten beider Völkchen auf's Korn nehmen und sich sowohl über die "Erfolge" Englands beim Grand-Prix, über fragwürdige Flirtmethoden und Socken im Bett, als auch über die Humorlosigkeit der Deutschen lustig machen, "deren Sprache zwar prima dazu geeignet sei, militärische Kundgebungen zu halten oder Anleitungen für Zündkerzen oder Duschköpfe zu formulieren, aber mit der man eben keine Witze machen könne [...] Engländer sind fest davon überzeugt, dass Zuschauer in deutschen Comedy-Clubs singen, klatschen, mit den Füßen im Takt stampfen und dazu altertümliche Kostüme tragen. Wer, der einmal im Fasching das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen eingeschaltet hat, will es ihnen verdenken?"
Die erste Frage, die sich stellt, ist: wie heißt denn die Insel in der Nordsee eigentlich richtig? England? Großbritannien? Vereinigtes Königreich? Staatlich beglaubigt und vereidigt trägt die Insel den längsten Ländernamen der Welt, nämlich "Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland." Spricht man von "England" und meint dabei die gesamte britische Insel, wäre das in Etwa so, als würde man ganz Deutschland als "Bayern" bezeichnen, so Puri.
Wer dieses Buch lesen möchte, sollte entweder schon ein Mal in England (oha, die Bayern-Sache!) gewesen sein oder aber den dringlichen Wunsch verspüren, das Inselvolk ein bisschen näher kennen zu lernen, bevor er in London von einem Taxi überrollt wird. Besonders fasziniert hat mich das Kapitel "Sprache", bei dem man am Besten zu Hause und alleine ist, wenn man es liest. Kurzformen, Konsonantenweglassungen, Cockney-Slang, Immigrantenkauderwelsch aus Englisch, Jamaikanisch, Indisch und Rap ("Rah, das nuff nang!" - "Das ist gut!") und andere Phänomene des modernen Englischs muss man sich einfach selbst laut vorlesen, um sie zu verstehen. In den öffentlichen Verkehrsmittel könnte man dadurch schnell den Stempel "sehr seltsam" aufgedrückt bekommen und skeptische Blicke auf den Buchtitel ernten... Warum man "nur mal kurz für einen Barry raussprintet", wenn man auf's Klo muss, man sich "auf den Docht" statt auf die Nerven geht und der lästige Husten den hübschen Beinamen "Vincent" trägt, ist im Buch so einleuchtend erklärt, dass ich es nie mehr vergessen werde.
Bis auf die Generation meiner Großeltern spricht heutzutage ja jeder irgendwie Englisch. Die Betonung liegt hier auf "irgendwie", denn was man in der Schule lernt, ist noch lange nicht das, was einem in englischen Städten begegnet. Anfang des letzten Jahrzehnts (haha, klingt, als wäre ich schon sehr alt ^^) waren wir mit der ganzen Familie in England und bestellten an einer Imbiss-Bude das traditionelle Fish & Chips. Mit der Antwort: "Teikaweiohstei?" konnte ich nicht so recht etwas anfangen, glänzte ich doch eigentlich in der Schule mit sehr guten Englischkenntnissen. Verständnislose Blicke sprangen wie ein Ping-Pong-Ball über die Theke hin und her, bis der Imbiss-Mann seine Frage in Silben aufteilte und nicht - wie vorher - in einem Schwall erbrach: "TEIK - AWEI - OH - STEI?!" Aaaaah, dann ging ein Licht auf. Das entsprach in Etwa der deutschen Frage nach dem Mitnehmen oder sofort Essen, oder anders ausgedrückt in feinstem McDonalds-Deutsch: "Zum hier?"
Wer meint, mit Fish & Chips habe er Englands Küche ausreichend getestet, der lasse sich im Buch eines Besseren belehren! Da ist die Rede von so poetisch anmutenden Gerichten wie "singender Maulesel", "Tunten in Soße" und "Kröte im Loch". Und wem in einer Speisekarte "pudding" begegnet, der sei gewarnt. Nicht alles, was Pudding heißt, ist goldgelb und schmeckt nach Vanille. Mit den Präfixen "black", "white" oder "blood" wird einem statt süßem Nachtisch höchstwahrscheinlich ein Gericht serviert, was ausnahmsweise mal im Deutschen poetisch klingt, nämlich tote Oma, oder "irgendeine andere fragwürdige Speise aus dem dunklen, englischen Mittelalter".
Ohne auf jedes einzelne der 17 lustigen Kapitel eingehen zu wollen, möchte ich noch kurz eine Passage aus dem Bereich "Verkehrswesen" zitieren, die mich wegen der sprachlichen Treffsicherheit Puris laut und herzlich auflachen ließ. Es geht im Wesentlichen um die Herausforderung U-Bahn, auf Englisch "tube". Mit rammelvollen, sich verspätenden oder gänzlich fehlenden Zügen berichtet sie einem Berliner Bahn-Fahrer nichts Neues. Same here.
"Die Tube ist darüber hinaus eine beliebte Selbstmord-Location, was zur Folge hat, dass sehr viele der nuscheligen Ansagen versuchen, auf nette Weise mitzuteilen, dass gerade jemand überfahren wurde. [...] An dieser Stelle möchte ich nicht versäumen zu erwähnen, dass die Tube sich ihren Strom aus den Schienen holt. Wer also unachtsamerweise die Gleise betritt, riskiert nicht nur, völlig unbeabsichtigt das Zeitliche zu segnen, sondern stirbt im Falle des Falles auch noch mit einer ziemlich unvorteilhaften Frisur."
Für den spontanen Drang, an einer der regenreichen Küsten des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland Urlaub zu machen, in Londoner Bussen fahren und "bubble & squeak" probieren zu wollen und darüber hinaus für den grandiosen Schreibstil mit einer gehörigen Portion (schwarzem) Humor und den daraus resultierenden Lachtränen gibt es von mir 5 Sterne und das Prädikat: "incredibly brilliant!"
P.S. Die akute Lust, nun genau so ein herrliches Buch über die Deutschen zu schreiben wurde getrübt von nur einer - zugegeben ziemlich blöden - Tatsache: das gibt's schon! "Reinlich & kleinlich - wie die Deutschen ticken". Hmpf...
schreib doch trotzdem ein Buch über die Deutschen... Oder über alles andere - ich würd's lesen :)
AntwortenLöschenUi, du bist jetzt auch unter die Blogg-dein-Buch-Blogger gegangen, das gefällt mir :) Dein Bericht klingt als hättest du während des Lesens eine sehr amüsante Kurzreise nach England unternommen und ich könnte mir sehr gut vorstellen, auch einen Abstecher dorthin zu unternehmen ;-) Danke für den Buchtipp.
AntwortenLöschenUnd bei der Gelegenheit noch mal die Frage:
LöschenWie hast du das Ende von "Vergiss-dein-Nicht" für dich ausgelegt??????
Oh danke für den Tipp. Die Seite kannte ich ja noch gar nicht, finde sie aber mega genial & hab mich gleich angemeldet.
AntwortenLöschenUnd deine Rezension macht Lust auf´s Buchlesen. Hab vielen Dank!
Katja
Ich bin über die Rezension von Bloggdeinbuch auf dich gestoßen und ich muss sagen du hast da einen sehr tollen Blog und die Rezension ist dir sehr gelungen! Ich Besuche dich nun öfters!
AntwortenLöschenHaha, sehr köstlich !!! Macht sofort Lust auf lesen dieses Buches...ich sach ma, da hat der Verlach ja genau die richtige Rezensentin ausgewählt !!!! Belustigte Grüsse von Mareike
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