Mittwoch, 13. Mai 2015

Baby-Knigge

Im Alltag mit dem Baby ist mir aufgefallen, dass es ein paar ungeschriebene Gesetze zu geben scheint, die für vermutlich alle Babys gleichermaßen gelten. Dieses unschuldige und engelsgleiche Lächeln am Morgen nach einer durchwachten Nacht oder der "Unfall" genau in dem Moment, wenn die Windel ab ist, kommen sicher nicht nur mir bekannt vor. Deswegen habe ich sie für euch mal aufgeschrieben, die goldenen Verhaltensregeln oder auch Knigge für Babys.


Grobmotorik
Wenn du zwischen 3-6 Monate alt bist, wollen deine Menschen, dass du das Drehen lernst. Sie knistern dabei mit bunten Spielzeugen vor deiner Nase und schubsen dich leicht an. Wichtig: bleibe unbedingt stur und unbeweglich auf dem Bauch liegen und lege zur Verdeutlichung der Anstrengung den schweren Kopf erschöpft ab. Drehen, Rollen und Purzelbaum übt man ausschließlich auf dem Wickeltisch. Ablegemöglichkeiten unter 1m möglicher Falltiefe sollten als Übungsplattform konsequent ignoriert werden.
Wenn sie beobachten, wie du dich an Stühlen und Tischen hochziehst, wollen sie, dass du alleine läufst. Lasse dich in regelmäßigen Abständen auf den Po fallen und lache, denn wer später läuft, wird länger geschoben.

Schlafen
Um die Mittagszeit werden sie versuchen, dich abzulegen, damit du schläfst und sie die Hände frei haben für Kochen, Wäsche, Arbeiten und andere langweilige Dinge. Im Grunde wollen sie das gar nicht. Sie möchten viel lieber mit dir "Kuckuck" spielen und dir Fingerreime vorsingen. Bekräftige sie in ihrem geheimen Wunsch und lasse dich nicht ablegen, sie werden das zu schätzen wissen.
Nachts darfst du unter keinen Umständen im ersten halben Jahr mehr als 4 Stunden am Stück schlafen, am besten noch weniger. Das ist zwar hart für dich, sollte aber unbedingt durchgehalten werden, da du deinen Menschen sonst falsche Tatsachen vermittelst und sie womöglich zu früh wieder ausgeschlafen sind und ernsthaft über ein weiteres Kind nachdenken. Das muss um jeden Preis hinausgezögert werden. Bist du morgens vor allen anderen wach, drehe dich um 90° und strample wild mit den Füßen. Alternativ eignen sich auch Finger im Gesicht. Nasenlöcher, Ohrmuscheln, Augen und Mund deines Lieblingsmenschen bieten gute Angriffsflächen. So werden sie am liebsten geweckt. Wenn das alles nichts hilft, probiere kacken --> Wickeln

Wickeln
Solange du ein Baby bist, freuen sich deine Menschen über alle Geräusche deines Körpers (außer Kotzen). Sie loben dich überschwänglich für's Rülpsen nach dem Essen (Bäuerchen - haha, eine ganze LPG!) und sie lachen, wenn du die Windel mit Material füllst. Noch mehr würden sie sich aber freuen, wenn du ihnen deine Erfolge nicht in der Windel, sondern unmittelbar vor ihrer Nase auf dem Wickeltisch präsentierst. Warte also ab, bis die Windel entfernt wurde - direkt nach dem Baden ist ebenfalls ein geeigneter Zeitpunkt -, konzentriere dich und lege dann los. Für Klamottentreffer gibt es Extrapunkte!
Töpfchen sind übrigens eine ganz grausame Erfindung, denn alles, was du dort hinein machst, ist im nächsten Moment weg. Sie kippen deinen Erfolg einfach aus, lasse das nicht zu! Sie werden alles versuchen, um dich zur Topfnutzung zu bewegen, angefangen von Jubeln und Klatschen bis hin zu bunten Gut-gemacht-Aufklebern und kleinen Geschenken. Warte ab, bis sie eine dir angemessen erscheinende Entlohnung anbieten.

Kommunikation
Deine Menschen, besonders die mit den Brüsten, sind hormonell darauf gepolt, dich stets gut versorgt zu wissen. Deine Möglichkeiten, dich ihnen mitzuteilen, sind vielfältig.
A) Das Entertain-Me-Schreien: keinen Bock mehr auf das bunte Mobile und den Rassel-Quietsch-Papagei? Vom Arm aus kann man viel besser gucken? Dann erst leise ein wenig stimmhaft hüsteln und ggf. progressiv bis zum ausgewachsenen Schreien ansteigen lassen. Schnell aufhören, wenn die Bitte erhört wurde. Auch Eltern sind lernfähig.
B) das Mir-ist-sterbenslangweilig-Schreien: dazu in einem gesunden Mezzoforte weinen und große Augen machen, wenn möglich mit Tränen. Sie werden dich unverzüglich auf den Arm nehmen und sich freuen, wie schnell du zu beruhigen gewesen bist.
C) Das Mach-mich-sauber-Schreien: einfach durchgehend leise nörgeln und mit der Gesamtsituation unzufrieden sein. Nachdem sie dir Essen angeboten haben, werden sie als zweite Option deine Windel öffnen. Für größeren Spaß, nicht vergessen --> Wickeln
D) Das Ich-sterbe-vor-Hunger-Schreien: den Mund weit aufreißen, die Augen zusammenkneifen und aus vollster Kehle brüllen, dazwischen nur Bruchteile von Sekunden Luft holen. Lass dich nicht von Nuckeln, Fingern oder anderen Saugplacebos hinhalten. Nur Bares ist Wahres. Pack die Brust aus, Mama! Um die Wirkung zu dramatisieren, während des Trinkens noch ab und zu stoßweise seufzartig einatmen. Kommunikationsform D) darf auch ohne Hunger angewandt werden, zum Beispiel beim Kinderarzt.
E) Das Eigentlich-bin-ich-müde-aber-ich-weiß-nicht-wie-man-einschläft-Schreien: die größte Herausforderung unter den Kommunikationsformen, wenn du deine Herde einfach ein bisschen auf Trab halten willst. Dazu eine Kombination aus den genannten Mitteilungsarten entwickeln und am Wichtigsten: durchhalten! Damit es glaubhaft bleibt, darfst du in der ersten halben Stunde unter keinen Umständen die Augen schließen. Angebote wie Flaschen, Spielzeug oder Kinderwagenrundfahrten quittierst du mit noch lauterem Schreien. Besonders gut funktioniert E), wenn du nicht zu Hause und ohne die Frau mit den Brüsten unterwegs bist. Keine Sorge, Großeltern sind i.d.R. nicht nachtragend.
Bei wichtigen Terminen, wie z.B. Reisepassbeantragung oder Einschulungsuntersuchung des Geschwisterkindes ist es nur höflich, wenn du dich auch entsprechend vorstellst. Lass dich dabei von "Schhhhh"-Lauten deiner Menschen nicht irritieren. Die Behörden möchten schließlich wissen, mit wem sie es zu tun haben!

Essen
Bist du Stillkind, verlange mittels A) oder D) nach der Brust, sauge gerade so viel an, dass die Milch fließt, lass dann los, grinse und drehe deinen Kopf weg. Dein Milchmädchen wird lustige akrobatische Übungen vollführen und versuchen, die Brust aus jedem erdenklichen Winkel in deinem Mund zu platzieren. Warte so lange ab, bis das Brustwarzen-Gaumen-Verhältnis dir angenehm erscheint. Dann schlafe ein.
Bist du Flaschenkind, verlange mittels A) oder D) nach der Flasche, nimm einen winzigen Schluck, schiebe mit der Zunge angeekelt den Flaschennuckel aus dem linken oder rechten Mundwinkel und tue so, als handele es sich um Flüssigbeton.
Bekommst du Brei, solltest du dir unbedingt die Hamster-Technik aneignen. Öffne deinen Mund mehrfach hintereinander und bewahre jede Löffelfuhre unauffällig in deinen Backen auf. Warte ab, bis sich deine Menschen in Sicherheit wiegen. Das ist der geeignete Zeitpunkt, um das mit Spucke verdünnte Gemisch ohne zu Schlucken wieder hinaus zu befördern. Läuft etwas zwischen Kinn und Lätzchen, hast du dir Halsfalten-Extrapunkte verdient.
Königsdisziplin: niesen. Ha...Ha...Hatschi! Deine Menschen wollten sowieso waschen.

Feinmotorik
Benutze deine Hände ausschließlich, um Dinge, die dir zum Festhalten gegeben worden sind, fallen zu lassen. Deine Menschen lieben dieses Spiel. Finger eignen sich wunderbar dazu, um in Körperöffnungen zu pieken (--> Schlafen), an Haaren zu ziehen und in unbeobachteten Momenten Teller vom Tisch zu schieben. Plastik ist nur Material zweiter Wahl. Scherben bringen Glück, lautet die Devise! Beschäftigen sich deine Menschen mit ihren Handys, wenn du auf dem Schoß bist, nutze den Moment, um Oma anzurufen! Das grüne Telefonhörersymbol ist ein guter Anfang.
Benutze deine Hände nicht, um Gegenstände zu untersuchen. Dafür hast du einen Mund. Mit keinem anderen Körperteil kann man Form, Farbe, Oberflächenstruktur und Nährwert besser bestimmen.
Bei Pappkartons empfiehlt es sich, selbige nicht nur von außen, sondern auch von innen zu kontrollieren. Deine Menschen verwenden sie, um darin Pizza vor dir zu verstecken. Wenn du etwas mit Spucke markiert hast, gehört es dir. Auch sehr hilfreich beim Thema --> Spielzeug.

Spielzeug
Spielzeug gibt deinen Menschen das Gefühl, dich sinnvoll zu beschäftigen. Merke: Klapper-Rassel-Klingel-Quietsch-Dinge sind nur so lange interessant, wie du sie noch nicht besitzt. Sind sie erst gekauft, lasse sie links liegen und ziehe sie nur in unbeobachteten Momenten zum Spielen heran. Diese Taktik wird dir nach einer gewissen Zeit eine größere Auswahl verschaffen. Wenn du dir deine Freizeit erhalten willst, stecke keinesfalls zu früh Formbausteine in die passenden Löcher! Das Runde muss in's Eckige, heißt es nicht umsonst. Es könnte sonst passieren, dass dich deine Menschen für hochbegabt halten und dich unmittelbar nach dem ersten Geburtstag zum Mini-Chinesisch, Klavierunterricht, Baby-Ballett und Kinder-QiGong anmelden.

Fotos
Lächle, rede, singe, lache, quietsche und winke - aber nur, solange keine Kamera in der Nähe ist. Sobald du ein Objektiv siehst (Achtung, manche verstecken sich in Handys!), beginnt das Spiel: gucke so ernst und unbeteiligt, als ob dir gerade jemand einen Vortrag über Atomphysik halten würde. Das ist eine wichtige Regel, schließlich möchtest du nicht an deinem 18.Geburtstag mit peinlichen Videos überrascht werden, auf denen du vor Freude quietschend Spuckeblasen produzierst.
Ein Extrafall sind Passfotos beim Fotografen für deinen ersten Ausweis. Das biometrische Baby-Foto verlangt 1. einen geraden Kopf, 2. offene Augen und 3. einen geschlossenen Mund. Bemühe dich, immer nur maximal 2 von 3 Anforderungen zu erfüllen, sonst hat der Fotograf keinen Spaß!

Sport
Gesund und fit zu sein ist wichtig für deine Menschen. Unterstütze sie in ihrem Vorhaben, in dem du dich als Personal Trainer anbietest. Die Regeln sind denkbar einfach: lasse sie nicht oder nur kurz sitzen und behalte ihre Essenszeiten im Blick. Spare dir die Kommunikationsformen A) bis E) nach Möglichkeit für diese Momente auf. Sie werden es dir irgendwann danken. Für den Muskelaufbau ist es unerlässlich, dich regelmäßig tragen zu lassen. Merkst du, dass deine Menschen es eilig haben beim Verlassen des Hauses, lasse dich erst anziehen und anschnallen und fülle dann nochmal lautstark und nicht tolerierbar deine Windel. Sie werden daraufhin ihre Geschwindigkeit in Bücken, Strecken, Hochheben, Windelnwechseln und An- und Ausziehen verdoppeln, was zu einer höheren Kalorienverbrennung führt.


Kennt ihr noch andere "Babyregeln" von euren Kindern?
Schreibt mir eure Erfahrungen gern in die Kommentare!

5 Kommentare:

  1. Wunderbarer Beitrag. Ich musste mich stark zusammenreissen um nicht laut loszulachen und den kleinen Brueller aufzuwecken.

    Genial geschrieben und wahnsinnig witzig, vor Allem weil es alles so wahr ist.

    Lg Rin

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen Dank für deinen lieben Kommentar und Grüße nach "far far away"!

      Löschen
  2. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

    AntwortenLöschen
  3. Super lustig :-) und ich bin tief beeindruckt über diesen Scharfsinn trotz Müdigkeit :-) ;-)
    Vielen Dank für diesen zutreffenden und beeindruckenden Baby-Knigge!

    Herzlichst Sabrina

    AntwortenLöschen