Sonntag, 2. Oktober 2011

Small talk


Das Schönste, was ein kleiner Mensch zu einem sagen kann, wenn man mit neuem Kopf in die Kita kommt: "Oooh, Mama ssick!"
Aber spulen wir mal 2 Std zurück, Small-Talk beim Friseur:
ich saß unter der Fön-Haube, die aber nicht föhnt, sondern nur ohne großen Krach heiße Luft macht, damit die Farbe schneller trocknet. Ob man will oder nicht, Fremdunterhaltungen drängen sich den eigenen Ohren praktisch auf.
Palim, Palum, eine Mutter betrat gemeinsam mit ihrem 9-jährigen Sohn den Laden.
"Hallo...wie gehts....4 oder 6mm....na dann setz dich mal hin"-Bla-Bla. Das Kind saß, die Friseurin staunte über die langen, dicken Haare (irgendwas muss man ja sagen!), Kommentar der Mutter: "Ja, ja, dit hatta von uns beede."
Im weiteren Verlauf des Gesprächs erfuhr ich, dass sie gerade Mutter einer inzwischen 5 Wochen alten Tochter geworden ist, deren Namen ich hier nicht erwähne, weil ihr durch Raten selbst drauf kommen könnt (nein, nicht Jason!).
Friseurin: "Und? Biste 'n richtig stolzer großer Bruder?"
Er: "Nee, warum soll ick stolz sein? Ick freu mich nur. Und außerdem fragen dit alle."

Ich hätte brüllen können. Mehr davon! Jedenfalls weiß ich jetzt, wo Comedians ihre Ideen her haben. Einfach mal ne Stunde zum Friseur, in die S-Bahn, den Bus oder auf den Kinderspielplatz und nen Block (g?) mitnehmen...

Als der große Bruder mitsamt Mama und 6mm Resthaar den Salon verlassen hatte, wandte sich die Friseurin wieder mir zu. Wir waren allein im Laden. Sie schrieb eine Farbkarte, riss mich mit ihren Worten aus dem Lesen der "Freundin" von vor 2 Wochen (wo es doch gerade spannend wurde mit Stefanie Hertel und Stefan Mross, Mensch!) und fragte: "Wie ist denn der Vorname?"
Und was antworte ich allen Ernstes?
"Meiner?"

Manchmal ist man selbst überrascht, was so ein Gehirn für blöde Antworten geben kann, wenn man mal einen Moment nicht aufpasst.


Smalltalk mit Nona:

Eines Morgens kam ich ins Kinderzimmer und wurde von 2 großen blauen Augen angegrinst. "Nono wach ist!"
Klingt wie eine FB-Statusmeldung: Was machst du gerade? Nono wach ist!
Ich sag ja, an S-P-O arbeiten wir noch.
Nono wach ist passiert meistens am Wochenende. Unter der Woche, wenn ich sie spätestens um halb 8 wecken muss, tut sie so, als wäre es das Schlimmste auf der Welt, jetzt aufstehen zu müssen. Letzte Woche sagte ich, als eines ihrer Augen schemenhaft hinter einem schmalen Schlitz auszumachen war: "Oh, Nono ist ja wach!"
Da antwortet das Kind: "Nein. Nono heiert noch. Bisschen heiert", zieht sich die Decke ran und kuschelt sich genüsslich an den "liem Hasi". Ich sagte: "Aber wir wollen jetzt frühstücken!" Sie (ohne hochzugucken): "Nein. Nona nich."
Ich wusste ja, dass irgendwann das Stadium kommen würde, in dem Kinder einem widersprechen. Aber das hat mich dann doch überrascht...

Kleinkinder können, zumindest was die Sprache angeht, wie ein Spiegel funktionieren.
Irgendwann wiederholen sie die Sätze, die man anscheinend oft im Alltag benutzt, ohne groß darüber nachzudenken.
So sagt Nona jetzt, wenn ich sie rufe: "Jahaaa, pomme deich!" ^^

ABER ein Plus auf dem Spiegelkonto gibt es auch: sie sagt jetzt immer "danke", manchmal sogar "dankeschön"; ganz viel, ganz oft und zu jeder sich bietenden Gelegenheit. *Strike*

Vor ein paar Tagen hat Madame ihr Angelspiel wiedergefunden. Wir haben eine Kiste, in der sammeln sich alle Einzelteile, die sich nicht mehr zu einem Ganzen zusammenbauen lassen, also z.B. Puzzleteile, Steckspiele, Ringe, Fingerpuppen, Magnetbuchstaben und eben besagtes Angelspiel. Zu angeln sind Fische, Delphine (ich kann's einfach nicht mit "f" schreiben. "I can't, I simply can't!"), Robben und anderes Wassergetier. Jedenfalls angelte sie fröhlich vor sich hin und rief auf ein Mal: "Mama! Nono Walrotz angelt!"

Small-Talk im Eiscafé:

Eine Frau kam aus dem Laden und rief: "Komm mein kleines Liebstöckelchen!"
Die Köpfe der eisessenden Gartenbevölkerung drehten sich synchron zur Tür und staunten über einen Mann mit dem Format eines Kühlschranks, in der Hand eine Waffel mit 2 Kugeln Eis. Liebstöckel?! Warum nicht Eiche, Elefant oder Kipplaster?

Small-Talk im Musikunterricht:

Ich habe nichts gegen Ausländer. Wirklich nicht, im Gegenteil! Solange sie sich benehmen können, arbeiten gehen (die Erwachsenen, versteht sich) und sich ein µ den Gegebenheiten in ihrer Wahlheimat anpassen.
Ich habe auch absolut nichts dagegen, dass sie mit ihren Kindern die musikalische Früherziehung besuchen, auch wenn diese noch kein Wort Deutsch sprechen oder verstehen. So ein Kurs kann durchaus helfen, sie mit der deutschen Sprache vertraut zu machen. Fingerspiele, Kniereiter, Lieder, das alles bringt ihnen Intonation, Satzbau, Grammatik, etc. näher. Aber man sollte langsam über Sinn und Zweck dieser Veranstaltung nachdenken, wenn es sich eher zu einem Russischsprachkurs für mich entwickelt. Ein Junge, etwas über 2 Jahre alt, kann nicht für 1 min stillsitzen. Er kann auch keine Lieder singen oder mit Instrumenten spielen. Eine meiner mallorquinischen Maracas hat er gegen das Klavier geschlagen, woraufhin das Holz einen tiefen Riss bekam (das der Rassel, nicht des Klaviers ^^) und sich alle Körner auf dem Teppich verteilten.
Wenn die anderen Mäuse bei Mama oder Papa auf dem Schoß sitzen und gespannt lauschen, welcher Finger welches Tier ist, läuft - nennen wir ihn Sergej - durch den Raum auf der Suche nach Schlagmaterial. Blitzschnell schnappt er sich einen Ton aus dem Holz-Xylophon, rennt damit durch die Gegend und schlägt mit dem Holzton auf die Pauke. Wenn er keinen Bock hat, dann sollen auch alle anderen nichts mehr verstehen (Pauken sind laut. Sehr laut!).
Das eigentlich Schlimme daran ist die Mutter. Sie sitzt resignierend auf dem Fußboden und ruft immer wieder seinen Namen. Sonst nichts. Ich glaube, da muss man dann einfach höflich aber bestimmt bitten, den Raum zu verlassen.
Beim nächsten Mal...
Irgendwann habe ich versucht, ihn anzusprechen, ihm zu sagen, dass er bitte aufhören soll. Aber er versteht mich ja nicht.
Wenn Mama sich dann doch mal bequemt, den Sohn aufzusammeln und auf den Gymnastikball zu setzen, fängt er an zu brüllen wie am Spieß, auch mal die kompletten 45 Minuten am Stück. Was sie dann zu ihm sagt, weiß ich nicht. So hört es sich für mich an: fiubpsizGIUZ&%$(/&%$§jbJJDVBPSD. Aber wenn er noch eine Weile dabei ist, kann ich umschulen auf Dolmetscher.
Bestandteil jeder Babymusik-Stunde ist das Hören klassischer Musik. Eine Teilnehmerin fragte mich letztens, ob ich Klavier spielen könne. Ich bejahte und dann schlug sie vor, man könne doch auch mal live Musik machen und gucken, wie die Kinder darauf reagieren. Manchmal sieht man den Wald vor Bäumen nicht! Ich unterrichte schon viele Monate in dem Raum, habe aber noch nie wirklich wahrgenommen, dass dort ein Klavier steht ^^
In der letzten Stunde war es dann so weit. Ich setzte mich ans Klavier und spielte. Kein Kind beschäftigte sich mehr mit Tüchern, Instrumenten oder Spielzeug. Alle standen staunend und mit groooßen Augen um das Klavier und hörten gespannt zu.
Nur nicht Sergej.
Er drängelte sich ohne Rücksicht auf Verluste nach ganz vorne durch, suchte sich zielstrebig eine Taste aus und spielte mit. E. E. E. E. Immer wieder. EEEEEEE.
Es war klangtechnisch nicht so tragisch, wie es hätte sein können, denn das Stück stand zufälligerweise in e-Moll. Aber gestört hat es doch. E E E E E E E E E E E E E E E E E E. Der kleine Sergej kann nicht wissen, dass man das nicht macht. Seine Mama sollte es wissen! Alle Eltern schauten sich um, jemand hustete verlegen, ich drehte mich spielend um 90° auf dem Klavierhocker zur Seite, um Sergejs Mutter zu suchen. Da sah ich sie auf dem Boden sitzen. Sie lächelte. Es schien ihr zu gefallen. Schön.

Eine Mama hatte zur letzten Stunde ihren Mann dabei. Es ist immer eine kleine Allan-&-Barbara-Pease-Studie, wenn Vertreter der Spezies ♂ im Kurs dabei sind (das muss für sie ähnlich abschreckend sein wie ein Geburtsvorbereitungskurs). Die Frauen singen, tanzen, hüpfen, schaukeln, wiegen, erzählen, trösten und lachen, was das Zeug hält (ich bezweifle, dass alle schon so unbefangen waren, bevor sie Kinder bekommen haben). Sie platzen fast vor Stolz, wenn das eigene Kind zum ersten Mal "Aramsamsam"-Bewegungen mitmacht oder sich zum Schlafen auf den Boden legt, wenn wir das Lied vom Bären im Zoo singen ("Zu Hause klappt das nie!!"). Die Männer sitzen ein wenig verloren im Kreis und flüstern leise "Nee, mach du mal", wenn die Frauen fragen, ob sie mal mit dem Jüngsten das Fingerspiel machen möchten. Auch wenn wir wie Flugzeuge durch den Raum fliegen und die Mamas sogar Motorengeräusche mit dem Mund nachahmen (die Kinder sowieso), halten sich die Papas in ihren Hosentaschen fest und tun so, als würden sie die MUSIKTHEORIE 1-Plakate an den Wänden studieren...
Der Papa aus der letzten Woche war zwar auch schüchtern und ein bisschen verlegen, aber er wusste sich zu helfen.
Er schnappte sich eine Handpuppe und sang/sprach über die Handpuppe mit, dann konnte er sich wenigstens von seiner Frau hinterher nicht nachsagen lassen, er hätte nicht mitgemacht. An sich eine ganz süße Idee. Aber für den Lehrer, der vorne steht, sich auf die gefühlten 20 Strophen von "Wer hat die schönsten Schäfchen" konzentriert und aus dem Augenwinkel ein Schwein sieht, das im Textrhythmus das Maul auf und zu macht, eine ziemliche Herausforderung, ernst zu bleiben und sich nicht dem sich ankündigenden Lachkrampf hinzugeben...

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