Es war ein Mal eine kleine Maus, die in den Wald hinaus lief, um ihr Glück zu finden. Sie war nicht wirklich unglücklich, aber richtig glücklich war sie eben auch nicht. Sie kam an einen Fluss und schaute neugierig hinein. Ob hier mein Glück ist? Ein Fisch sprang heraus und sagte: „Hallo Frau Maus, wie...“ Hüpf. „...kann ich dir helfen?“ Hüpf. „Ach, Fisch, ich suche mein Glück. Hast du es vielleicht gesehen?“ Der Fisch antwortete: „Ja, Frau Maus.“ Hüpf. „Dort entlang, durch dunkle....“ Hüpf. „...Wälder, vorbei an steinigen...“ Hüpf. „...Klippen und tiefen Schluchten.“ Hüpf. „Dort habe ich dein Glück gesehen.“ Hüpf. Die kleine Maus verabschiedete sich freundlich und lief in die Richtung, die der Fisch ihr gezeigt hatte. Sie lief und lief. Es wurde langsam dunkel im Wald. Ein schwarzer Schleier legte sich über die Bäume. Da erschrak die Maus plötzlich ganz fürchterlich, weil direkt neben ihr auf einem Baumstumpf eine Eule saß und ihr „HUHU“ in die Nacht schrie. „Mensch, Eule, ich bin gerade höher gesprungen als Mäuse es eigentlich können, weil ich mich so erschrocken habe!!!“ Die alte Eule begrüßte die Maus und bot ihr als Entschuldigung für den Schreck eine Tasse heißen Tee an. Es war bitterkalt im Wald geworden, die Maus freute sich sehr und nahm die Einladung selbstverständlich an. Durch das lange Laufen im Wald hatte sie gar nicht bemerkt, dass ihr Magen ungeduldig knurrte. Von Eules Tee-Keksen aß sie einen ganzen Teller voll auf. Noch nie hatten stinknormale Sandkekse mit Käsestückchen sooo gut geschmeckt!! Die kleine Maus erzählte der Eule, dass sie auf der Suche nach ihrem Glück sei und fragte, ob sie wüsste, wo sie es finden könne. Die Eule überlegte einen Moment, lächelte dann weise und antwortete: „Du kannst diese Nacht in meinem Baumloch schlafen. Morgen früh machst du dich wieder auf den Weg, läufst in nord-südlicher Richtung bis zum Horizont. Wo sich Himmel und Erde treffen, dort wartet dein Glück auf dich. Aber sieh dich vor – es lauern auch Gefahren dort draußen!“ Die Maus bedankte sich, konnte zwar mit den Himmelsrichtungen nichts anfangen, da hatte sie in der Schule nicht aufgepasst, aber war zu müde zum Nachfragen und schlief dankbar ein. Der nächste Sonnenaufgang kam, die Maus verabschiedete sich mit einem piepsigen HUHU von der alten Eule und lief in Richtung Horizont. Die Eule saß noch eine Weile auf ihrem Ast, sah die Maus immer kleiner werden und murmelte zufrieden: „Das Glück finden....es findet dich!“
Einige Zeit später war eine Schlange in diesem Moment aus ihrem Mittagsschlaf erwacht. Sie räkelte sich so gut sich Schlangen eben räkeln können und gähnte ausgiebig. Als sie gerade ihre beiden Zähne putzen wollte, hörte sie ein leisen Singen, das immer lauter wurde:
„Das Waaandern ist des Mäuschens Lust....“
Irritiert kroch die Schlange aus ihrem Versteck um nachzusehen, wer sich traute, in der Mittagsruhezeit zu trällern. Da sah sie, wie sich ihr eine kleine Maus näherte und fröhlich hüpfend ihr Liedchen summte. Sie wähnte sich scheinbar unbeobachtet.
„Pssssssssssssssssssssssst! Sssssssingen issssssssst hier sssssssstreng verboten!“
Die Schlange schoss aus ihrem Versteck und versperrte der Maus den Weg. Die Maus traute ihren Augen nicht. Eine Schlange war so ziemlich das Dümmste, was ihr hätte begegnen können. Panisch log die Maus: „A..a...a...aber i...i...ich h..h..habe ddd....den g..g...ganzen Weg hierher ge...ge...geübt, weil ich genau d...d....dir mein L..l...l....Lied vorsingen wollte! Eine alte Eule hat mir von dir erzählt: der schönsten Schlange im ganzen Land!“ Die Schlange überlegte einen Moment, hatte sie doch eigentlich großen Hunger und den Tisch schon vorsorglich mit Mäusebesteck gedeckt... Aber angesichts dieses Komplimentes wollte sie ihren Ruf nicht zerstören, lobte die Maus für den schönen Gesang und zog sich zurück. Auf die Frage der Maus nach dem Glück zischte die hungrige Schlange nur: „Sssuch weiter und höre auf dein Herzsssss. Esss wird dir ssssicher ssssschon bald begegnen.“ Gesagt, getan. Erleichtert über den guten Ausgang des Schlangentreffs legte die Maus ihren weiteren Weg fröhlich tanzend zurück. Sie balancierte ohne Angst über die tiefen Schluchten, an den hohen Klippen vorbei und kam an eine Lichtung. Ihr Ziel, der Horizont, schien überhaupt nicht näher zu kommen, je weiter sie lief. Als es plötzlich wie aus Eimern zu gießen begann, suchte sich die Maus einen Unterschlupf ganz in der Nähe. Sie wartete und wartete... Langsam kam auch die Sonne wieder heraus. Dann konnte sie endlich weiter nach ihrem Glück suchen. Aber was war denn das?? Da! Sie traute ihren kleinen Mäuseaugen kaum. So etwas Wundervolles hatte sie noch niemals in ihrem gaaanzen Leben gesehen. Alle Farben, die sie kannte, kamen dort zusammen und zogen ein großes Tor durch den Himmel. Und das bunte Tor endete... ja! Genau auf der kleinen Lichtung vor ihr! Die Maus fühlte sich in diesem Moment so groß und stark wie ein Bär und so frei wie ein Vogel! Sie sprang aus der Höhle heraus, höher als je eine Maus gesprungen war, sie tanzte das schönste Mäuseballett, drehte Pirouetten und sang so laut sie konnte: „Ich habe einen Schatz gefunden und er trägt tausend Farben...“
Als sie nur noch einen Mäusetritt von dem bunten Wunder entfernt war und es riechen, fühlen und schmecken wollte, war es plötzlich genau so schnell verschwunden wie es gekommen war. Die Maus drehte sich im Kreise, suchte überall, kletterte auf Bäume, sprang in Flüsse, alles ohne Erfolg.
Als sie klitschnass und traurig aus dem Fluss kletterte, hörte sie hinter sich ein vertrautes: „Hallo Frau Maus! Wieder da?“ Hüpf. Nanu, der Fisch? Sie drehte sich um und begrüßte ihn. „A..a...aber wie kann das sein?! Ich bin doch so weit gelaufen! Durch dunkle Wälder, vorbei an steinigen Klippen, wilden Tieren und tiefen Schluchten! Du etwa auch?“
Der Fisch lachte. Er lachte so doll, dass er gar nicht richtig antworten und man sein „Nein“ nur erahnen konnte. „Aber das heißt ja, dass ich im Kreis gelaufen und nun wieder ganz am Anfang meiner Reise bin?!“ weinte die Maus und eine dicke Träne kullerte über ihr Gesicht. Der Fisch tröstete die traurige Maus und fragte, ob sie ihrem Glück denn begegnet sei. Die Maus schüttelte den Kopf, aber erzählte dem Fisch dann aufgeregt und ausführlich von ihrer Begegnung mit der netten Eule, die sie bei sich hat schlafen lassen, dem leckeren Tee und den Keksen, dem Singen bei der Schlange und dem wunderwunderschönen bunten Tor auf der Lichtung. Der Fisch lächelte und sagte erstaunt: „Dann ist dir dein Glück auf der ...“ Hüpf. „...Reise so oft begegnet und du hast es....“ Hüpf. „...nicht erkannt?!“ Er winkte noch ein Mal zum Abschied mit der Flosse und schwamm dann eilig davon. Die Maus dachte einen Moment über die Worte des Fisches nach. „Das war mein Glück?! Aber ich wollte es doch finden und mitnehmen, damit ich es immer bei mir habe und immer, immer glücklich sein kann...“ HUHU.... Die Unterhaltung hatte die Eule beim Vorbeifliegen zufällig mitangehört und landete auf einem großen Stein am Ufer. Sie sagte: „Das Glück kann man nicht finden, liebe Maus. Es findet dich, wenn du springst, so hoch wie du noch nie gesprungen bist, wenn du tanzt, als ob niemand zusieht und wenn du singst, als ob niemand zuhört. Auf der Suche nach dem großen Glück verpasst du die vielen kleinen auf dem Weg. Denn das Glück wohnt nicht in einem riesigen Stück Käse, es ist in der Seele zu Hause. Und niemand kann zu jeder Zeit glücklich sein. Was du auf der Lichtung gesehen hast, war übrigens ein Regenbogen. Er entsteht, wenn es regnet und gleichzeitig die Sonne scheint.“ Die Eule zog etwas Kleines unter ihrem Flügel hervor und gab es der Maus. „Ich habe hier noch etwas für dich. Du magst doch Kekse. Aber sieh dich vor beim Essen. Er birgt ein Geheimnis! HUHU“
Mit diesen Worten breitete die Eule ihre Flügel aus und flog davon. Die Maus schaute ihr hinterher und war sich ganz sicher, einen dünnen bunten Schweif am Himmel gesehen zu haben, dort, wo die Eule entlang geflogen war. Sie rieb sich die Augen, biss hastig in den seltsam geformten Keks und fand dann, was die Eule gemeint hatte: einen Zettel! Darauf stand:
„Ohne Tränen hätte die Seele keinen Regenbogen“
Die Maus saß noch eine Weile nachdenklich auf dem kleinen Stein und ging dann glücklich bis zu den Mäusezehenspitzen nach Hause, denn jetzt wusste sie, dass sie ihrem Glück tatsächlich begegnet war. Und würde es eines Tages an ihre Tür klopfen, sie würde ihm einen Stuhl anbieten. Und eine Tasse Tee mit Keksen...
Sehr schönes Foto :)
AntwortenLöschenund: sehr schöner Text :)
AntwortenLöschenthank you :)
AntwortenLöschenAch, eine wunderbare Geschichte, wie ich sie gerade gebraucht habe. Sie erinnert mich an den kleinen Bär und den kleinen Tiger auf der Suche nach (dem Glück in) Panama - dem schönsten Land der Welt. Diesen Gedanken schließe ich mich an und überlege: kann man dem Glück manchmal auch etwas auf die Sprünge helfen?
AntwortenLöschenDie Panama-Glück-Suche kenne ich gar nicht.
AntwortenLöschenAuf die Sprünge helfen kann man bestimmt (Stuhl hinstellen), aber anklopfen muss es dann schon selbst, das Glück :) Das erinnert mich an eine Postkarte aus meinem Fundus: zu sehen ist ein Kind im Schweinchenkostüm mit der Bild-Unterschrift: "Wenn das Glück nicht zu dir kommt, musst du eben etwas nachhelfen..."
VIV, mit dem kleinen Bär und dem kleinen Tiger (Janosch) auf der großen Suchen nach Panama hast du echt was verpasst! ;) Ich glaub ich hab das Buch in 5 Sprachen: sobald ich zurück bin, such ich dir das passende raus ;)
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